Petershäger Anzeiger vom 01.11.2001

Als Hilde Matthes im Jahre 1976 mit Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse im gerade neuerbauten PZ des Petershäger Gymnasiums ein Theaterstück aufführte, konnte sie kaum ahnen, welch lange Tradition sie damit ins Leben rufen würde.

„Antigone“ von Sophokles war das ausgewählte Stück – ein würdiger Beginn! Den Schauspielerinnen und Schauspielern – und auch dem Publikum – machte dies so viel Spaß, dass daraus eine Arbeitsgemeinschaft entstand, die nun ununterbrochen 25 Jahre besteht und seitdem in jedem Jahr mindestens ein Stück zur Aurführung gebracht hat.

Zum 20jährigen Bestehen der Theater-AG
erhielt Rainer Hoock eine Geburtstagstorte.

1981, als die „Anfangsbesetzung“ dann Abitur machte, sah es zunächst so aus, als ob „Bunbury“ von Oscar Wilde vorläufig das letzte Stück der Theater-AG wäre. Aber es fanden sich schnell neue interessierte Schülerinnen und Schüler. Unter der neuen Leitung von Joseph Oeding war „Andorra“ von Max Frisch die erste Inszenierung im Jahre 1982. Hilde Matthes wirkte, obwohl inzwischen pensioniert, noch bis zu ihrem 80. Lebensjahr an der Regie der Stücke mit und war auch danach noch stets gern gesehener Gast bei den Aufführungen.

Die Palette der Stücke reichte von klassischen Lustspielen wie „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist (1984) bis zu modernen Stücken wie „Die Befristeten“ von Elias Canetti (1980). Die Schüler wechselten – die Lehrer blieben und spielten gelegentlich selbst einmal mit – wie zum Beispiel in „Romulus der Große“ von Friedrich Dürrenmatt (1985).

Schauspielerpersönlichkeiten, die der Theater-AG über lange Jahre hinweg treu blieben, prägten manche Aufführungen nachhaltig, wie zum Beispiel Jochen Lewin als „Galileo Galilei“ (Bertold Brecht, 1988), Alexander Heidenreich in „Jagdszenen aus Niederbayern“ (Martin Sperr, 1992) oder Dennis Dammeyer in „Viel Lärm um nichts“ (William Shakespeare, 1997)

1990 verließ Joseph Oeding das Gymnasium Petershagen, und die Nachfolge in der AG-Leitung übernahm Rainer Hoock. Gleichzeitig wurde die Gruppe der „Kleinen“ gegründet: Das Stück „Freunderfinder“ von Paul Maar war die erste Darbietung der Sekundarstufe I, während die „Großen“ den „kaukasischen Kreidekreis“von Bertold Brecht einübten. Seit 1993 wird die Sekundarstufe I-Gruppe von Marie-Louise Rasche-Hagemeier geleitet und hatte mit „Momo“ von Michael Ende im Jahre 1994 eine überwältigenden Erfolg.

„Jagdszenen aus Niederbayern“ aus
1992 mit Eve Brey und Alexander Heidenreich.

Mit diesem Musical begann auch die besonders fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Theater und Musik: Die von Martin Guth gegründete Theatermusik-AG produzierte zusammen mit der Theatergruppe musikalische Stücke wie zum Beispiel „In der Bar zum Krokodil“ (1997), aus dieser Produktion ging das Vocalensemble „Die A-Kußticker“ hervor, und im Jahr 1999, dem Jubiläumsjahr der Schule, das Musical „Krabat“ nach einem Roman von Ottfried Preußler. Mit acht ausverkauften Aufführungen war dies die bisher erfolgreichste Produktion. Der steigende Aufwand brachte es mit sich, dass seit 1993 eine eigene „Technikergruppe“ im Hintergrund arbeitet, die von dem ehemaligen Schüler Sebastian P. Schmitz geleitet wird.

Jede neue Produktion ist eine Herausforderung, bedeutet viel Arbeit, da jedes noch so kleine Detail minutiös geplant und ausgeführt werden muss. Manchmal ergeben sich aber auch Situationen, die viel Improvisationstalent verlangen:

Bei der Aufführung von „Der kaukasische Kreidekreis“ im Jahre 1990 erkrankte ein Schüler wahrend der Aufführung! Spontan sprang jemand anderes ein, dessen Einsatz schon beendet war, lernte blitzschnell die Rolle auswendig, zog sich das Kostüm an und spielte weiter…

Die Kulisse des Stückes „Ein idealer Gatte“ (1987) sah nur eine einzige Tür vor, deren Griff während der Aufführung abbrach – sie war fortan weder von außen noch von innen zu öffnen. Spontan wurde die Reparatur der Tür durch den Butler in die Szene eingebaut…


Das Bild zeigt die Theater -AG bei der Aufführung „Romulus der Große“ aus dem Jahre 1985. Mitwirkende waren (v. U.) Christoph Gieselmann, Rainer Hoock, Jürgen Rösener, Joseph Oeding.

Bei der Aufführung von „Leben des Galilei“ (1988) vergaß eine Schauspielerin ihren Auftritt! Die auf der Bühne agierenden Personen improvisierten wild drauflos, bis der Auftritt endlich kam: die Schauspielerin hatte sich schon umgezogen…

Ohne es zu bemerken sprangen die Schauspielerinnen und Schauspieler während der Aufführung von „Hilfe, die Hertmanns kommen“ (1991) von Szene 3 in Szene 7. Ein fast identischer Satz in den Szenen hatte für diesen Sprung gesorgt. Durch Zufall erfolgte aber ein erneuter Sprung zurück in die Ausgangsszene und das Stück konnte, ohne dass das Publikum es bemerkte, fortgesetzt werden…

Solche Anekdoten zeigen, dass bei den Proben und Aufführungen keine Langeweile aufkommt. Sie machen aber auch klar: Es wird live gespielt, auf der Bühne stehen Menschen mit all ihren Unzulänglichkeiten, keine perfekten Maschinen. Übrigens: Das, wovor jeder immer Angst hat, nämlich seinen Text völlig zu vergessen, ist noch nie passiert! Dennoch ist es beruhigend, eine Souffleuse vor der Bühne sitzen zu haben, die einem schon mal weiterhilft.

Im Laufe der Jahre hat sich ein gewisser „Schuljahresrhythmus“ eingependelt. Zunächst wird – von allen gemeinsam – ein Stück ausgewählt, das manchmal nach einer Romanvorlage erst noch zu einem Theaterstück umgeschrieben werden muss. Dann werden die Rollen verteilt – auch dabei ist jeder gleichberechtigt beteiligt, es wird über jede Rolle abgestimmt, für die es mehrere Bewerber gibt. In den sogenannten Vorproben werden dann die einzelnen Szenen einstudiert, während in den Hauptproben das ganze Stück mit Technik, Kostümen und Maske „zusammengefügt“ wird. Das alles dauert ein Jahr, wobei sich die Gruppe normalerweise einmal in der Woche trifft, im letzten Monat vor der Aufführung jedoch öfter. Großen Spaß machen auch immer Probenwochenenden im Naturfreundehaus Meißen.

„Wenn sie richtig gut sind, machen sie Abitur!“ Natürlich ist der Stoßseufzer des Regisseurs berechtigt, der ja stets mit neuen Schülerinnen und Schülern arbeiten muss und es gar nicht so gerne sieht, wenn die Schauspieler die Schule verlassen, um zu studieren oder einen Beruf zu ergreifen. Wenngleich einige auch noch, sofern es ihre Zeit erlaubt, nach dem Abitur weiter mitspielen, so ist es doch in erster Linie eine Schüler-AG. Nachwuchssorgen hat sie nicht, es melden sich nach jeder Aufführung neue Interessenten.


Letzter Schliff vor der Aufführung „Ein idealer Gatte“ aus dem Jahre 1987 mit den Schauspielern (v.li.) Melke Credo, Eve Brey, Annette Dort, der Gründerin der Theater AG Hilde Matthes und Lars Bauer.

Für den Februar 2002 ist eine ganz besondere Aufführung geplant: die Uraufführung des Musicals „Frankensteins Erben“. Hierfür wurde das Textbuch auf der Grundlage von Mary Shelleys „Frankenstein“ von einem Literaturkurs unter der Mithilfe der Lehrerin Brita Florstedt und Willem-Alexander Rode völlig neu entwickelt und die Musik von Martin Guth und Thomas Wirtz komponiert. Wir freuen uns alle darauf!

Zunächst aber möchte die Gruppe feiern: Am 3. November wird im PZ des Gymnasuims eine Jubiläumsfeier stattfinden, zu der alle jetzigen und ehemaligen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft eingeladen sind!