Anspruchsvoll, gelungen und noch sechsmal zu sehen – „Frankensteins Erben“ / Gymnasiasten setzten Musical in Szene

Petershagen (mt). Frankenstein – wer denkt da nicht an blutrünstige Experimente, furchterregende Monster und Horror schlechthin?

Die von Mary W. Shelley 1818 erschaffene Romanfigur Frankenstein und vor allem das von diesem geschaffene Monster 1931 von Boris Karloff filmschauspielerisch genial umgesetzt, stehen bis heute für gruseliges Entsetzen der besonderen Art.

Aber ist das der Stoff, aus dem Musicalträume gemacht werden? Als sich am Samstagabend im Pädagogischen Zentrum des Gymnasiums Petershagen der Vorhang zur Premiere des Musicals „Frankensteins Erben“ gehoben hatte, wurde schnell deutlich, dass hier nicht auf platte Affekte und süßliche Träumereien gezielt wird.

Dazu ist das Thema zu ernst, denn es geht hier nicht um den schaurig schönen Grusel eines Opernphantoms, sondern um jenen Horror, den der Mensch selbst zu verursachen in der Lage ist.

Zwei Zeitebenen miteinander verwoben

Zwei Zeitebenen werden ineinander verwoben. Auf der Romanebene strebt der junge Wissenschaftler Frankenstein danach, Herr über Leben und Tod zu werden. Bedenken können ihn nicht aufhalten, kein Preis ist ihm zu hoch.

Gegen ihren Willen drohen die Forschungsergebnisse an die Öffentlichkeit zu gelangen.

Im Finale treffen Roman- und Aktualisierungsebene in überraschender Weise aufeinander. Über 150 Mitwirkende haben seit einem Jahr an diesem Musical gearbeitet.

Sie boten ein überzeugendes Spiel: Mirko Prasse als Frankenstein und Dennis Dammeyer als Kreatur (links) sowie Matthias Vinke als Schlachter und Bele Spriewald als Annabel. Fotos: privat

Im Literaturkurs 12 des Gymnasiums entstanden auf der Basis des Exposes von Willem-Alexander Rode Songtexte und Dialoge, die greifbar machen, worum es dem Musical geht: Um einen Blick auf die Gefahren menschlicher Hybris, den Willen in die Natur einzugreifen, ohne dabei die Folgen zu bedenken, den Wunsch nach Macht.

Ein altes und zugleich brandaktuelles Thema: Nach Babylons Turm, Frankensteins Tabubruch und den realexistierenden Sündenfällen von Los Alamos rücken die unter dem Siegel gentherapeutischer Forschung versteckten potentiellen Horrorszenarien näher.

Kein leichter Stoff für ein Musical. Und dennoch: Die Musik von Martin Guth, Thomas Wirtz und Janosch Brenneisen verzaubert mit themenadäquaten Konturen: Symphonische Komplexität, Melancholie, Hoffnung und auch jene Melodien, die dem Hörer noch Stunden später nicht aus dem Kopf gehen.

Die Theatermusik-AG des Gymnasiums und der renommierte Jugendchor Tookula erweisen sich als stimmige Klangkörper, die der anspruchsvollen Partitur gerecht werden.

Die Akteure auf der Bühne, Mitglieder der Theater AG des Gymnasiums Petershagen unter der Regie von Rainer Hoock, bieten schauspielerisch und gesanglich eine große Leistung, allen voran Nora Dohrmann als tragische Genetikerin Daniela Funicula, Matthias Vinke als blutig-brutal-berlinernder Schlachter Lanius und Bele Spriewald als frech-schaurig-schöne Prankenstein-Gehilfin Annabel. Gruselig und mitleiderregend zugleich überzeugt Dennis Dammeyer als Kreatur.

Videosequenzen schaffen Gedankentiefe.

Mitglieder der Tookula-Tanzgruppe unter der Leitung von Regina Kruse-Mohrhoff lassen als Schattenwesen dunkle Vorahnungen eines noch siegessicheren Dr. Frankenstein – glänzend gespielt und gesungen von Mirko Prasse – ausdrucksstark Gestalt annehmen.

Das Bühnenbild, von der Theatertechnik-AG in monatelanger Arbeit mit Liebe zum Detail aufwändig gestaltet und vom Kunstkurs der zehnten Klasse bemalt, ist stimmig, ohne aufdringlich zu wirken.

Und schließlich wird auch High-Tech auf der Bühne integriert: Videosequenzen und animiertes Schattenspiel unterstützen das Geschehen, schaffen Gedankentiefe und Transparenz.

Bis in die Feinheiten von Kostümen und Maske lässt sich erahnen, wie viel Engagement hinter der Sache steht. Und engagiert ist auch das Anliegen dieser von Martin Guth geleiteten Musicalproduktion. Noch viermal, am 13., 15., 16. und 20. Februar, wird sich im Gymnasium Petershagen der Vorhang für Frankensteins Erben heben. Dann zieht das Musical nach Minden, wo es am l. und 2. März in der St. Marienkirche zu erleben ist.